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Altwachs Party im heimischen Garten

Ein bisschen ramponiert sind die alten Kerzen, aus denen wir neue gemacht haben, schon gewesen. Wie unser treuer Begleiter - Das Zelt - nun auch in die Jahre gekommen ist. 

Lust auf Party

Seit ein paar Wochen steht mein Marktzelt in unserem Garten. Persönliche Beratungen und kleine Bastelarbeiten kann ich hier ab und an anbieten. 
Auch sollen hier in den kommenden Wochen Kerzen hergestellt werden. In meinem Garten. 
"Wieso denn bluß?", könnte Ronja Räubertochter sich von den Rumpelwichten fragen lassen und die Frage ist durchaus erlaubt. 
Wieso will ich draußen im Garten in meinem Zelt Kerzen produzieren, wo ich doch eine nette Werkstatt habe und dort wunderbar meine Produkte herstellen kann? 
Nun, zum einen geht es nicht um meine Produkte, sondern um eine Gruppenarbeit, zu der ich herzlich einlade. 
Zum anderen leben wir nach wie vor in Zeiten von Corona. Ein Zelt ist grundsätzlich besser belüftet, als ein Werkstattraum. 
Vielleicht gehört zur Ehrlichkeit auch dazu, dass ich, nach über 18 Monaten einsamer Werkstattarbeit, große Lust auf liebe Freundinnen hatte, die mit mir gemeinsam basteln wollen. 

Eiinfach mal wieder miteinander was schaffen

Kerzen zu produzieren ist mein Beruf. Ich liebe und genieße es mit verschiedenen Gruppen von Menschen Kerzen zu basteln und mein Wissen rund um die Produktion von Kerzen mit begeisterten Bastlern zu teilen. 


Eines meiner Steckenpferde dabei ist Altwachs. Ich benutze es zwar nicht in meinen Kerzen, aber ich sammle es ganz gerne ein und nutze dieses Wachs, um öffentliche Bastelaktionen bezahlbarer und oft auch kostenlos anbieten zu können. 
Spaß macht die Bearbeitung von Altwachs allerdings nicht unbedingt. Es ist eine dreckige und aufwändige Angelegenheit die verschiedenen Wachsreste zu sortieren, mehrfach zu schmelzen und zu filtern. 
Mit lieben Menschen, die sich lange nicht gesehen haben, ist es eine Arbeit, die die Hände automatisch bewegt und dem Mund die Freiheit gibt, sich verbal auszutoben. Dabei verarbeiten sich ein paar Kilo dreckiger Kerzen eigentlich ganz schnell, habe ich bei diesem tollen Event gelernt. 😉
Wenn Ihr mehr darüber erfahren wollt, wie Altwachs sinnvoll für die Wiederverwertung vorbereitet werden kann, empfehle ich Euch den verlinkten Artikel.

Kerzen spenden Trost!

Ein Steckenpferd allein hält noch keine Welle auf, das ist mir klar. Eine Welle ist jedoch über Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gezogen. Die Bundesländer, aus denen mein Mann und ich stammen und zu denen wir beide eine tiefe Verbundenheit verspüren. 

 Ich bin Kerzenmacherin und absolut davon überzeugt, dass Kerzen uns helfen, unsere  intimsten und innersten Gefühle zu verarbeiten. Ich glaube fest daran, dass Kerzen die schlimmsten und schönsten Momente  in unserem Leben mit uns teilen und uns auch trösten können, wenn kein Wort und keine Melodie uns erreicht. 
Die Kunst der Kerze hilft uns bei unserer inneren Reisen zu uns selbst. Wir sind schließlich keine Roboter, sondern fühlende und genussvolle Wesen, mit Emotionen und Bildern, die nur uns allein gehören. Kerzen begleiten uns und beleuchten diese ganz intimen Reisen in unsere eigene Gedankenwelt. 

Die Flut fordert verschiedene Opfer

Flutopfer müssen emotional gerade ganz viel aushalten können. Wenn Haus und Hof zerstört sind, muss man trotzdem jeden Abend in den Schlaf finden und die einsamen Stunden der dunklen Nacht durchstehen. 
Sicherlich können, dürfen und sollen alle Arten von industriell gefertigten Kerzen die Haushalte unterstützen. Ich kann mir nur wünschen und gehe auch davon aus, dass die großen Kerzenhersteller palettenweise Kerzenprodukte aus der Massenherstellung in die Flutgebiete senden und damit im täglichen Bedarf helfen. 
Eine selbst gemachte und gebastelte Kerze ist etwas ganz anderes. Sie brennt vielleicht nicht perfekt. Vielleicht ist der Docht nicht ganz in der Mitte gelandet, vielleicht wird sie tropfen, knistern oder lange Dochte ausbilden, die regelmäßig gekürzt werden müssen. 
Man kann sie vielleicht sogar ab und an ein bisschen anschimpfen. 
Eine handgemachte Kerze ist aber auch ein Unikat. Etwas ganz Besonderes und Einmaliges, auch wenn andere Kerzen ähnlich aussehen. Sie unterscheidet sich, denn keine gebastelte Kerze muss aussehen, wie die andere. 
 Wenn ich eine solche Kerze benutze, löst sie bei mir Emotionen aus. Ich glaube, anderen Menschen geht es genauso! 
Vielleicht empfindet der eine oder andere sogar Freude, denn jemand anderes hat diese eine Kerze hergestellt, damit sie bewundert wird und damit sich jemand über diese Kerze freut. Das erzeugt eine Verbindung. Vielleicht eine anonyme, aber nichtsdestotrotz ist es Kommunikation von Mensch zu Mensch: Ich mache etwas, um Dir eine Freude zu machen. 
 
Wenn Kindergartenkinder dieses Gefühl erstmals im Leben kennen lernen, werden Eltern häufig mit Bergen von Basteleien oder kleinen Briefchen bedacht. Wir Menschen freuen uns halt, wenn wir anderen eine Freude bereiten wollen. Egal wie jung oder alt wir sind. 
 
Und zu einer solchen "Freudenparty" hab ich nun zum ersten Mal eingeladen.

Schnacken bis der Arzt kommt. Zum Glück blieb es dieses Mal nur bei Mini-Schnittwunden und für Fransen am Mund kommt der Arzt ja nicht.

Erfahrene Kerzenmacher mit neuer Aufgabe

Endlich mal wieder zusammen kommen und Kerzen machen. 
So einfach wie sonst, hatte ich es meiner lieben Bastelgruppe diesmal allerdings nicht gemacht. Statt bunte Wachswürfel für die eigene Kreation auszuwählen, mussten nun jede Menge Kerzenreste gereinigt und sortiert werden. Erst danach konnten wir die Wachse schmelzen und filtern. Und bevor es endlich ans gießen ging,  waren auch noch die Formen vorzubereiten.
Wir wollten lang brennende, große Kerzen herstellen. Stumpen, bei denen man auch mal kurz den vollen Brennteller ausschütten kann, um dann, mit einem extra langem Docht, einen dunklen Gang beleuchten zu können. So ganz praktisch gesehen.
Für diesen Zweck sind Stapelchipsdosen besonders gut geeignet. Diese Form bieten wir übrigens als Bastelset schon eine ganze Weile für das private Altwachsrecycling an. 
Es ist schon eine kleine Form der Massenproduktion, wenn eine Bastelgruppe drei Dutzend solch großer Kerzen herstellen will. 
Eine 120 Liter Tonne voller Altwachs konnte ich aus meinem Bestand zur Verfügung stellen. So war der Material-Grundstock an für den geplanten Nachmittag gelegt und wurde durch das mitgebrachte Altwachs meiner lieben Gäste ergänzt. 
So dann legten die Damen los. Kiste um Kiste, Tüte um Tüte haben sie ausgeräumt. Dreckige Dochte entfernt, Lacke abgekratzt und Müll aus dem alten Wachs so weit wie möglich entfernt. Dabei wurden die Wachse auch farblich sortiert und zum Schmelzen zerkleinert. So ist jeweils ein dicker Haufen Altwachs mit unterschiedlichen Wachsfarben entstanden. Ahnt Ihr schon, welche Farbe in unserer Tonne Altwachs dominiert hat?

Mit bunten Farben spielen

Ein bisschen farbliche Unterstützung haben die alten Wachse dann ab und zu auch noch bekommen. Etwas Kerzenfarbe hübscht manch blasses Wachs rasch wieder auf. Unsere Kerzen sollten bunt werden und nicht ganz klassisch aussehen. 

Üblicherweise sind Regenbogenkerzen ein sinnvolles Endprodukt für eine Altwachsparty. Zunächst werden dabei die hellen und freundlichen Töne des Altwachses geschmolzen und vergossen. Je länger die Party dauert, desto dunkler werden die Gießtöne, sodass am Ende die fertigen Kerzen mit Ringen in Regenbogenfarben von hell nach dunkel leuchten können. 
Ringe waren uns ein bisschen zu langweilig. Es sollte mehr Bewegung in den Farbverläufen sein und auch mehr Dynamik. 
Die Herausforderung war einfach umrissen. Freundlicherweise gibt es im Kerzenhandwerk simple Lösungen für diese Idee unsere Altwachskerzen zu gestalten. 
 
Die Kerzen werden schräg gegossen und immer wieder gedreht, sobald das Wachs etwas angedickt ist und die Drehung zulässt. 
Durch diesen Trick sollten farbenfrohe und lustige Kerzendesigns entstehen. 
Nun ist diese Technik nicht unbedingt Teil meines normalen Produktionsablaufs und eine kleine Massenproduktion brauchte hier ein sinnvolles Gerät zur Halterung und Unterstützung. Für die Praxis einer Altwachsparty hatte mein Ingenieurs-Gatte die passende Lösung gefunden und damit auch gleich das Tagesziel definiert: 36 Formen gleichzeitig zu bearbeiten.
Würden wir das schaffen? 36 Formen mit Altwachs zu füllen und damit 36 Kerzen für die Flutopfer an einem Tag zu basteln?

Bis zum Ende mit guter Laune

Wir hatten uns viel vorgenommen, das gestehe ich nun, am Tag nach der Party, schamlos ein. 
Aber natürlich kenne ich auch meine fleißigen Pappenheimer: sie alle haben ein Durchhaltevermögen und einen Tatendrang den ich bewundere. 
Nachdem wir das ganze Altwachs gereinigt und sozusagen entkernt schmelzbereit vorliegen hatten, blieb auch ein bisschen Zeit für eigene Kreationen und Ideen für daheim. Ein paar Wachswürfel haben am Ende dann doch den Weg in den Garten gefunden und die Wartezeit bis zur nächsten Tojte flüssigen Wachses verging in gemütlicher Runde. 
So gemütlich war es bei uns, dass selbst das Gewitter am späten Nachmittag uns nicht die Ruhe raubte. Als das Wasser langsam durchs Zelt lief, die Blitze am Himmel draußen vorm Zelt zuckten und nun wirklich niemand mehr heim wollte, wurden wir alle doch auch ein bisschen nachdenklich. 

Kerzen für die Flutopfer war ja unser Tagesmotto und nun lief uns das Wasser über die Füße. Für einige Minuten mussten auch alle Zeltwände geschlossen werden, so dass der Ziel und Zweck unserer Aktion in Kombination mit der derzeitigen Corona-Situation ein bisschen zweifelhaft wurde. Doch aufgeben gilt nicht. Meine Bastelgruppe wollte nicht heim und vor ein bisschen Unbill flüchten. Sie hielten durch und machten einfach weiter. Mich hat das sehr gerührt. Vielen Dank Mädels und Jungs, ihr seid einfach wunderbar. 😘


Zu unseren Jungs muss ich noch ein extra lobendes Wort loswerden. Oft genug wird das Kerzenbasteln Frauen als  Hobby zugeordnet. "Sich mit Kerzen zu beschäftigen ist eine eher weibliche Tätigkeit", wurde mir schon oft rückgemeldet. Ein mildes abnickendes „Achja, Kerzen und Frauen" von vorbei flanierenden Besuchern vieler Märkte, habe ich schon sehr oft gesehen und gehört. 
Meiner Erfahrung nach ist es nicht so einfach. Es gibt Menschen, die sich für Kerzen interessieren. Das Geschlecht dieser Menschen spielt dabei absolut keine Rolle, aber das Selbstbewusstsein des einzelnen Menschen schon! 

Mann muss schon eine große Portion Mut haben, wenn er seiner Männergruppe gesteht, dass er schöne Kerzen mag. Mit einem Glühwein in der Hand ist dann oft der aufkommende Spott eher zu erwarten, als im Gespräch mit der Gattin oder Freundin. Das gilt nach meiner Erfahrung sogar, wenn die besagte Lebenspartnerin oder auch der Lebenspartner gar keine Kerzen mag. 

An unserem Bastel-Aktionstag war der aktive Nachwuchs lange homogen männlich. Erst im Laufe des Nachmittags haben die Jungs Hilfe von einem Kerzen-AG Mädchen bekommen. Also, seid bitte weiter Vorbild, ihr Lieben! Schlaue Männer stehen zu ihren Gefühlen und Kerzen können helfen Gefühle zu kanalisieren. Mir haben die Jungs viel Freude gemacht und ihr großer Fleiß und Einsatz haben mich begeistert. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Besonders alberne Pappenheimer standen den Jungs in Sachen Fleiß in nichts nach.

Irgendwann ist dann Schluss

Irgendwann ist auch die schönste Zusammenkunft mit der allerliebsten Bastelei vorbei. 

Unser Tag wurde von zwei Gewitterwolkenbrüchen begleitet, hat uns nasse Füße und Fusseln am Mund beschert und kiloweise altes, dreckiges Wachs in schöne, neue Kerzen verwandelt. Zufrieden und müde haben sich meine Partygäste nach und nach verabschiedet. 
Als es dunkel wurde mussten auch die letzten Bastler unwillig aufgeben. Unwillig, denn fertig geworden waren wir nicht. 
Das war auch nicht zu erwarten. Es dauert lange,  bis Kerzen fertig sind. Kerzen müssen auskühlen und zwar gründlich. Während sie erkalten zieht sich das Material zusammen und es entsteht ein sogenanntes Gießloch. Die Tiefe dieses Loches erzählt erfahrenen Kerzendesigner*innen, wie heiß das eingegossene Wachs gewesen ist oder auch, wie schnell die Kerze erkaltet ist. 
Ein solches Loch ist unschön. Zur Nachbearbeitung in der Kerzenwerkstatt gehört es auch, diese Löcher zu schließen und zu entscheiden, was mit den heraus schauenden Dochten geschieht. Lassen wir sie nach dem letzten Guss heraus schauen, kann die Kerze von beiden Seiten entzündet werden. Kappen wir den Docht und gießen das Ende mit ein, ist die Kerze bis zum oberen Docht im Prinzip "wasserdicht". Kunstkerze.de nennt solche wasserdichten Kerzen Badewannenkerzen. Viele Industriekerzen lassen aus praktischen Gründen den Dochtabschnitt unten heraus schauen. 
Unsere gebastelten Kerzen wurden aber für die Flutopfer gefertigt und sollen praktische Dienste leisten. Also fiel die Entscheidung leicht: Wir gießen die Dochte am Ende ein, so dass die Kerze auch auf einem feuchten Untergrund problemfrei brennen kann, ohne Wasser zu ziehen und dadurch zu knistern.

voller Erwartung Auspacken

Die spannendste Frage bei blickdichten Kerzenformen fordert viel Geduld: Wie wird die Kerze am Ende aussehen?
Erst, wenn die Kerze ganz getrocknet, nachgegossen und wieder getrocknet ist, kann sie aus der Form befreit werden und zeigt zum ersten Mal ihr Design. Welch ein aufregender Moment…..

Ganz begeistert vom sich zeigenden Design packte ich nun die erste Kerze aus. Doch, oh Schreck, die Kerze war nicht gut gegossen. Sie zerbrach in der Mitte, welch ein Desaster! 

Sofort stellten sich mir viele Fragen: War nun nur der eine Guss mit Pech versehen? Oder haben auch die anderen Kerzen etwas abbekommen? War der Umzug der Kerzen durch das Gewitter und die Temperaturschwankungen schädlich für unsere gesamte Charge? Draußen zu arbeiten ist schon eine Herausforderung, die ich in letzter Zeit nicht allzuoft erlebt und geübt habe.

Voller Spannung öffnete ich zwei weitere Kerzenformen und wurde mit guten Stumpenkerzen in hübschen Designs belohnt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   

Knallbunte Kerzen aus Altwachs haben wir gebastelt. Die hübschen Designs zeigen sich erst beim Auspacken und eröffnen einige Überraschungen. 

After-Party-Werkstatt-Arbeiten

MIt dem Kerzenentformen ist die Arbeit natürlich noch nicht vorbei. Unsere „Flutkerzen“ sollen noch einen Wachsüberzug bekommen, um dann glänzend und in voller Farbenpracht am richtigen Ort zu strahlen. Hierfür ist gefärbtes Altwachs keine gute Idee. Die Farben unserer Bastelei sollen ja, trotz des Überzugs, erhalten bleiben. Hier kommt das glasklare Wachs, dass ich auch für meine eigenen KunstKerzen verwende, zum Einsatz. Schnell sind ein paar Kilo für den Wachsüberzug geschmolzen. 
Bevor allerdings die 36 Kerzen Ihren Schutzüberzug erhielten, mussten sie aus ihren Formen befreit werden. Diese arthritisfördernde Arbeit wollte ich nun nicht ganz alleine machen und bekam erneut Hilfe aus meiner lieben Bastelgruppe. 

Wie unsere Kerzen am Ende ausgesehen haben und was mit ihnen geschehen sollte, berichte ich Euch in meinem kommenden Blogbeitrag in aller Ausführlichkeit.